Forum > Autorentipps

Eigene Story

<< < (6/8) > >>

ulimann644:
Okay - jetzt sehe ich schon klarer.
Du hast den Hintergrund bereits recht klar definiert - allerdings denke ich, dass es noch kein wirkliches Exposé gibt - für mich wäre das eine Art Drehbuch, mit Schlüsseldialogen, und Erlebnissen der Figuren, dazu eine detailierte Ausarbeitung der Figuren, inklusive Namen und zumindest groben Lebenslauf. An diesem Punkt scheinst du im Moment noch zu arbeiten.

Auch ich bevorzuge in meinen Geschichten die Details und beschreibe die Geschichte gerne anhand von Einzelschicksalen. Die eher monumentale Form der Erzählung versuche ich zu vermeiden, soweit das geht.

Die Motivation der Figuren scheint mir im Moment wirklich noch sehr simpel - da sollte man noch etwas feilen IMO. Dabei muss es sich nicht immer um persönliche Gründe handeln - das kann auch eine Folge der beschriebenen Umwelt sein, in die eine Figur hinein geboren wird.

Fest steht eins: Wenn du zu schreiben beginnst, bevor du selbst weißt, wie die Geschichte am Ende ausgeht, dann wirst du spätestens nach 4-5 Kapiteln ins Schleudern kommen.
Ähnliches gilt für das Arbeiten ohne Exposé für die einzelnen Abschnitte. Die ersten dreißig Seiten funktioniert das - aber dann folgt das große Äh...

Und auch an dich mein Standard-Rat: Fange besser nicht mit einem zu großen Projekt an. Die meisten ambitionierten Projekte scheitern nicht am Unvermögen der Hobby-Autoren, sondern an der schieren Größe des Projekts.
Gerade am Anfang, wenn man noch bis in die Haarspitzen motiviert ist, denkt man oft: "Ich knalle den Leuten ein Werk hin, bei dessen Umfang selbst Frank Herbert blass geworden wäre..."
Spätestens auf Seite 30 wird man von der Realität eingeholt und man merkt, dass man dafür zuerst einmal Erfahrungen mit kleineren Projekten sammeln sollte. Also lieber zuerst einige kleinere in sich geschlossene Episoden aus diesem Universum (die vor dem eigentlichen Plot angesiedelt sein können) bevor man zum großen Überhammer ausholt.

Ich selbst habe - beinahe klassisch - mit Kurzgeschichten begonnen. Diese Form der Erzählung sollte man nicht unterschätzen.

domi1985:
Vielen Dank für deine wirklich fundierten Tipps, ulimann644 !
Das mit dem Expose in dieser Form ist eine sehr gute Idee.
Was die Motivation angeht - da bin ich ganz deiner Meinung - hier bin ich noch lange nicht am Feinschliff.
Tatsächlich sehe ich das mit der Länge ganz genauso. Ich habe mir schon selbst überlegt, einige kürzere Storys vorzulegen, die vor der eigentlichen Geschichte angesiedelt sein sollen und teilweise das Vorleben der Charaktere näher beleuchten. Ich denke, genau daran werde ich mich versuchen. Das birgt neben der praktischen Übung, die man bekommt, ja auch den Vorteil, dass die Charaktere einiges an Tiege gewinnen, die man später nutzen kann. Man wird mit ihnen vertraut und lernt sie kennen, kann ich mir vorstellen.
Das mit den übermäßigen Ausmaßen kann ich bestätigen - ich habe mich als Teenager einmal an einem ziemlich monumentalen (wenngleich ziemlich platten) Universum versucht und es dürfte ziemlich genau nach den von dir genannten 30 Seiten eingeschlafen bzw. an inneren Widersprüchen erstickt sein.
Momentan spiele ich mit dem Gedanken, eine mehr oder weniger kurze Story über eine Piratin zu schreiben, die als Nebencharakter auch in der großen Story vorkommen soll.
Es soll um ein Artefakt der Großen Alten gehen, an dem auch die Kirche des Transomninions Interesse hat und auf das eine Gruppe von Piraten zufällig stößt. Was dann folgen soll, ist eine klassische Tour-de-Force mit vielen Opfern, bei der die Piraten zwischen den Fronten stehen : Kirche auf der einen Seite, dann STRATEGOCORPS und schließlich eine durchgedrehte Sekte auf der anderen, die sich um das Artefakt streiten. Die Piraten wollen es natürlich am liebsten zu Geld machen. Wirklich weit bin ich bei den Planungen wie man sieht noch nicht - und mit kürzeren Geschichten habe ich auch wenig Erfahrung.
Ich finde dieses Forum von dem abgesehen wirklich super ! Und ich habe das Gefühl, in der kurzen Zeit hier schon eine Menge gelernt zu haben :-)

ulimann644:
Einer der Vorteile dieses Forums ist - es hat für Hobbyautoren die passende Größe und die passenden Mitglieder... ;)

Bei einigen Kommentaren drüben bei Scifi haben sich meine Fußnägel aufgerollt. Wenn da der Rat kommt, dass man seine Welt nicht zu detailiert ausarbeiten soll, oder die Bemerkung, dass fiktive Welten nicht stimmig sind, dann bekomme ich Magenschmerzen...

Eine gut ausgearbeitete Welt ist das A und O - gerade wenn man ein eigenes Universum kreiert. Sicher, man muss das nicht machen und kann die Geschichte auf einen kleinen Bereich eingrenzen - mehr Optionen hat man jedoch mit guter Vorarbeit.

ToVa:
Ich wage mal eine verallgemeinernde Behauptung: Auch SF lebt oft nur von ihren Figuren und deren Konstellationen. Fast alle grössere SF Roman der mir auf Anhieb einfällt stellt die Figuren in den Vordergrund, während man über die "Welt" an sich meist erst sehr spärlich Dinge erfährt, was natürlich ungeheuer gemein ist, da man darauf neugierig ist. Ein Paradebeispiel dafür ist in meinen Augen "Dune" - der ja einen gewaltigen und ungemein komplexen Backround mitbringt. Viele für die Story und das Verständnis des Buches imanent wichtige Details erschliessen sich quasi erst nebenher. ZB der "Heilige Krieg gegen die Maschinen" aus denen dann die Mental-Schulen hervorgingen und was letztlich auch dazu führte das es in diesem SF Zyklus keine Grossrechner oder Roboterarmeen gibt... ich glaube der wird nur zwei oder dreimal im Roman in ein oder zwei Nebensätzen erwähnt. Dennoch ist das für dieses Universum ein Schlüsselerlebnis.

Im "Orakel vom Berge" erfährt man nie wie die Nazis den zweiten Weltkrieg gewonnen haben. Es ist einfach so. Man erfährt nur einige Details am Rande. "Blade Runner"  wird das Setting etwas näher beleuchtet... in "Der Ewige Krieg" auch... dennoch sind diese Romane immer noch extrem Figurenzentriert. Asimov ebenso. Heinlein hat dieses Prinzip in vielen seiner letzten Romane dermassen überspitzt dass ich ihn heute noch dafür treten könnte... da kann es zB passieren das in einer vollkommen durchtechnisierten Welt alle Leute mit Pferdekutschen reisen... und es wird keinerlei Erklärung dafür gegeben.

Ich denke das das Universum und seine "Schlüssigkeit" deutlich hinter den Figuren zurückstehen. Sind die Figuren und ihre Motive nicht plausibel, rettet der Rest des Universums das auch nicht... es bleibt dann nur ein interessanter Entwurf. Aber ein gut durchdachtes Universum im Rücken wird die Handlung einfacher zu schreiben machen, wird weniger Logiklöcher produzieren und generell einige Dinge fast zwangsläufig ergeben. Es ist also für den Prozess des Schreibens ungemein hilfreich, da die Action, die Handlung ja daraus entsteht wie die Figuren auf ihre Umwelt reagieren.

Würde ich so was schreiben würde ich vielleicht alles vorher ausdefinieren - aber ich würde nur in den Roman packen was auch wirklich notwendig zu erklären ist um eine unmittelbare Situation zu verstehen. Einige offene Fragen sind ganz gut... zuviel Erklärungen machen einen Roman auch kaputt, sie können ihn schnell in Richtung Nachschlagwerk abdriften lassen. Und das liest sich da eben nur noch wie ein Konzept, die Figuren fallen hinten runter.

Das man wirklich auch zu viel Zeigen kann, hat in meinen Augen in den letzten Jahren George Lucas eindrucksvoll bewiesen. Die neuen Star Wars Filme sind Detailreicher wie sonst kaum andere Filme. Aber zum einen schlucken die vielen Details und Nebenfiguren (die oft überflüssig sind) viel Aufmerksamkeit und Zeit von der eigentlichen Handlung, zum anderen werden die Filme dadurch eine Art Kompendium... sie verlieren immens an erzählerischer Struktur. Was wiederum dazu führt das die Hauptfiguren eingehen.
Der erste Star Wars Film (Also Episode IV, neuerer Zählung)  hat trotzdem wunderbar funktioniert - auch wenn kein Mensch wusste wie das Imperium entstanden war oder warum so ein Typ der aussah wie Peter Cushing einem Darth Vader Befehle erteilen konnte. Es war unklar wieso Leia Prinzession ist und warum Chewi nicht ständig Han Solo verkloppt wenn der wieder Shice baut. Keiner hat erklärt wieso Androiden die ganze Zeit schwafeln müssen oder warum Raumschiffe gefühlte 46,4 Kilometer lang sind... war einfach so. :)

ulimann644:
@ToVa
Volle Zustimmung - eine Geschichte ist nur so gut wie seine Figuren, wenn die blass bleiben dann reißt auch eine lebendig beschriebene Welt die Story nicht heraus.

Und man wird auch, gerade bei einem sehr detailliert ausgearbeiteten Universum immer nur einen Teil benutzen können - aber man hat bereits die teile, und das ist IMO ein immenser Vorteil, da der Schreibfluss nicht unnötig unterbrochen wird.

Für "Lockruf der Sterne" habe ich im Laufe der Zeit auch ein recht komplexes Universum geschaffen, das sich (momentan) über die Lokale Gruppe erstreckt - natürlich kann ich sämtliche Zusammenhänge noch nicht auf den ersten 100 Seiten erklären. Das Wichtige dabei ist viel mehr: Ich habe die Details und ich weiß bereits jetzt, in welchem Verhältnis die Völker zu einander stehen, oder welche politisch-sozialen Systeme vorherrschen.

Und danach kann ich meine Figuren handeln lassen - was authentischer wirkt, als wenn ich diese Details bezüglich ihres Backgrounds (Geschichte/Entwicklung des Volkes) nicht kenne.

Dieser Aufwand steht zugegebenermaßen manchmal in keinem Verhältnis zu dem, was man am Ende darüber schreibt, und lohn sicherlich nicht bei jedem Projekt. Für größere Vorhaben, wie LdS halte ich diese Mühe schon für sinnvoll.

Die beiden SW-Trilogien zeigen sehr schön, wie man dabei in das andere Extrem kippen kann (Episode I - III) und eine Welt zu Tode definiert. Die Original-Trilogie ist deshalb jene, die ich bevorzuge, weil hier der Fokus auf den Figuren liegt. Dass man dies nie vernachlässigen darf, auch in einer sehr detaillierten Welt, sollte man nie vergessen.

BTW: Episode IV war "A New Hope" schon nach der alten Zählung... (siehe Intro)

Navigation

[0] Themen-Index

[#] Nächste Seite

[*] Vorherige Sete

Zur normalen Ansicht wechseln