Das Phänomen blieb nicht außerhalb des Schiffes. Da es nicht wirklich „da“ war, gab es auch nichts, was die Schutzschilde hätten zurückhalten können; stattdessen fuhr die Druckwelle des Novae-Echos nicht nur über die Estrella hinweg, sondern gleich mitten durch. Sie durchdrang geisterhaft die Hülle, die Schotts, jeden einzelnen Raum, ohne dabei Schäden anzurichten. Von jetzt auf gleich änderte sich das Licht - auch auf der Brücke. Zuerst wurden die anwesenden Offiziere Zeuge der äußeren Wellenfront; gleißende Klingen aus reinem Licht nahmen die Stelle sanft wogender Farben der Brückenbeleuchtung ein und tobten wie ein lautloses Gewitter durch den Kontrolraum, die Geräte, die Leute.
Hier und da hörte Jasmine erschrockene Rufe, und sie sah aus den Augenwinkeln, wie die Leute instinktiv vor der Wellenfront zurückwichen, als ginge davon eine ganz reale Gefahr aus, nur, um im nächsten Sekundenbruchteil doch von ihr einge- und überholt zu werden – ohne, dass ihnen etwas geschah.
Die erschrockenen Bewegungen der Offiziere sahen in dem stroboskopisch flackernden Licht sonderbar abgehackt und falsch aus, und alle Schatten und Konturen wurden mit einem Mal bedrohlich. Etwas wie ein elektrisches Knistern lag in der Luft, ein Gefühl, als legten sich unsichtbare Spinnenweben auf die Haut. Das Atmen bereitete Jasmine einen Moment lang Mühe, und sie hatte den Eindruck, dass die Luft bitter schmeckte, war sich aber nicht sicher, ob das Gefühl real war, oder nur in ihrem Kopf entstand.
Die Wellenfront mit dem flackernden Licht raste weiter und hatte die Estrella so schnell hinter sich gelassen, wie sie auf sie zugerast war.
Dieser ersten Wellenfront folgte etwas anderes, etwas noch viel fantastischeres, von dem das Schiff nun durchdrungen wurde. Auch das war... ein Licht, aber eines gänzlich anderer Art.
Es hatte keine bestimmte Form, aber auf eine schwer zu definierende Art Substanz. Da waren lauter kleine leuchtende Punkte, wie ein tanzender Schwarm winziger Glühwürmchen, die erst dann aufhörten, durch das Schiff zu jagen, als auch die Wellenfront abrupt zur Ruhe kam, als hätte man sie an den Samt einer temporalen Anomalie geheftet.
Und doch blieben die kleinen Lichtpunkte in Bewegung, wenn auch nur an Ort und Stelle.
Trotz seiner Schönheit erfüllte das Licht Jasmine mit einem vagen Gefühl der Gefahr, als spüre etwas in ihr, dass es nicht so harmlos war, wie es den Anschein machen wollte. Und im nächsten Moment wusste sie auch wieso: denn Jasmine realisierte, dass es sich um Materie handelte, was sie da sah! Reine Materie, die von dem Stern nach außen geschleudert worden war – oder zumindest das Echo davon! Das machte es nicht weniger fantastisch!
Sternenstaub, fuhr es Jasmine begeistert durch den Sinn. Ihre Augen fingen an zu leuchten. Sie war Umgeben von Sternenstaub! Dem Anfang und Ende von allem! In Anbetracht dieser Erkenntnis vergaß Jasmine alles um sich herum – die Konsole, die anderen Offiziere. Plötzlich waren alle Probleme nebensächlich.
Sie konzentrierte sich ganz auf die Faszination und Schönheit der Lichtpunkte, die wie Schwärme winziger leuchtender Fische in einem Ozean aus Licht vor, neben, hinter und über ihr schwammen, und streckte - auf gänzlich unwissenschaftliche Art - die Hand nach einem davon aus, um ihn zu berühren. Sie hatte nicht damit gerechnet, etwas zu fühlen, immerhin war das nur ein Echo, kaum mehr, als ein Hologramm ohne Dichte, und doch spürte sie ein leises, angenehmes Kribbeln, das ihren ganzen Arm hinauflief, wie einen ganz schwachen elektrischen Fluss. Es war kein unangenehmes Gefühl.
Jasmine lächelte.
Nach dem Debakel auf Faras III hatte ernsthaft ernsthaft daran zu zweifeln begonnen, ob eine Sternenflotten-Karrie das richtige für sie sei, und sie hatte tatsächlich mit dem Gedanken gespielt, ihre Offizierspatent niederzulegen und sich lieber einem zivilen Institut anzuschließen. Jetzt nicht mehr. Alle Zweifel waren wie weggeblasen.
Wie hätte sie auch zweifeln können, im Angesicht eines solchen Phänomens? Sie hatte keine Ahnung, was hier vor sich ging, was das ausgelöst haben mochte, aber sie war Umgeben von reiner Materie, von Sternenstaub direkt aus dem Innern einer explodierten Sonne - wie viele Leute konnten das schon von sich behaupten? -, und es war unbeschreiblich
schön!